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Andacht aus Buch und Schney

Eine Andacht die mir Kollegin Tanja Vincent zur Veröffentlichung für den Sonntag Judika zugestellt hat. Zum Lesen, Downloaden, Teilen und Weitersagen…

Andacht zum Sonntag Judika, 29.3.2020

für die Kirchengemeinden Schney und Buch

Liebe Gemeinde,

es ist der zweite Sonntag, an dem wir keine öffentlichen Gottesdienste feiern dürfen. Das ist schwer für uns alle. Der Sonntag Judika bekommt seinen Namen von dem Psalmwort „Gott schaffe mir Recht … und errette mich!“ (Psalm 43). Gemeinsam sehnen wir uns in dieser Zeit wohl nach Rettung aus dieser so seltsamen Situation, die mit Einsamkeit und Fragen, mit Unsicherheit und Ängsten verbunden ist. Auf einmal merken wir, wie wichtig uns der persönliche Kontakt ist – beim Einkaufen ebenso wie bei der Arbeit, am Gartenzaun oder im Verein. Viele Kleinigkeiten lernen wir neu schätzen, und gleichzeitig vermissen wir unseren Alltag. Fast jede und jeder erzählt von Momenten, in denen einem die Decke auf den Kopf fällt, man einfach genug von alledem hat und sich zumindest nach gedanklichem Abstand sehnt.
Der Predigttext für diesen Sonntag erinnert uns daran, dass wir in der zweiten Hälfte der Passionszeit sind, den Leidensweg Jesu bedenken und dabei neu in den Blick nehmen, was der Glaube für uns ist. Zu finden ist der Text diese Woche in Hebräer 13,12-14:

12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Dieser kleine Abschnitt passt gut in diesen Moment des Kirchenjahres. Es geht um den Tod Jesu. Sein Blut wird erwähnt. Damals sahen die Menschen im Blut den Ort des Lebens, und das leuchtet uns bis heute ein. Mehr aus Filmen als aus der Realität kennen wir das Schließen einer Blutsbrüderschaft, die Menschen auf besondere Weise und lebenslang miteinander verbindet. Und in der Kirche werden wir bei der Feier des Abendmahls daran erinnert, dass Jesus sein Blut gegeben hat, um uns zu versöhnen.
Wenn wir versuchen, in wenigen Worten zu sagen, wozu Jesus in die Welt gekommen ist, dann ist das wohl das, was wir mit diesem Weg Jesu deutlich vor Augen haben: Gott liebt die Welt. Er liebt die Menschen, jede und jeden von uns. Dazu ist Jesus gekommen, dass er vielen davon erzählen konnte, dass viele das mit ihm erlebten. Damit haben Menschen sich verändert. Es macht etwas aus, wenn uns jemand sagt: „Du bist geliebt. Gott mag dich. Du bist ihm nicht egal. Es kommt auch auf dich an.“ Mit seinen Worten und mit seinem Tun hat Jesus Menschen aufgerichtet. Manche ganz wörtlich, wie z.B. die gekrümmte Frau oder den gelähmten Mann, und andere eher im übertragenen Sinn, die Hoffnung und Mut bekamen. Auf einmal spürten sie, dass sie Menschen mit Würde und Wert waren. Von den Mächtigen ließen sie sich nicht so einfach einschüchtern, trauten sich eher, ihre Meinung zu sagen, sich für ihre Interessen und füreinander einzusetzen. Genau das gefiel den Mächtigen nicht. Sie wollten gerne, dass alles beim Alten blieb, dass oben und unten klar definiert sind, sie bestimmen und alle anderen gehorchen mussten.

„Gott liebt dich!“ Eine einfache Botschaft hatte Jesus, und damit hat sich so viel verändert. Einschüchtern ließ er sich nicht. Im Gegenteil. Gott liebt die Welt, genauso wie sie ist: in ihrer Unvollkommenheit, mit den Schwächen und Fehlern. Gott wendet sich mit seiner Liebe besonders denen zu, die so leicht übersehen werden – den Kleinen, Armen und Schwachen. In der Folge wird Jesus verurteilt und stirbt „draußen vor dem Tor“, auf dem Berg Golgatha, außerhalb der Stadt an einem Ort voller Grauen, Geschrei und Gewalt. Solche Orte kennen wir bis heute. Die Orte, wo kein Frieden mehr zu finden ist, wo Gewalt und Unterdrückung herrschen, wo Geschrei und Machtkampf den Alltag bestimmen, wo Hass und Krieg dominieren. Manche dieser Orte kennen wir nur aus den Nachrichten – Guantanamo oder Syrien, die türkisch-griechische Grenze oder andere Orte, an denen Geflüchtete unter menschenunwürdigen Zuständen leiden. Andere sind ganz nah bei uns, wo wir erleben, wie Menschen sich das Leben gegenseitig schwermachen und ihre Mitmenschen versuchen „außen vor“ zu halten, aus der Gemeinschaft ausschließen, ihnen ein friedliches Miteinander nicht ermöglichen. Wo ist Gott dann? Warum tut er nichts? Was soll das? Eigentlich wissen wir die Antwort auf diese Fragen: Gott ist auch da. Er ist auch „draußen vor der Tür“, mitten im Leid. Niemanden lässt er allein. Das gilt auch jetzt für alle, die nicht nach draußen gehen, sondern ihren Leidensort vielmehr mit dem „Wir bleiben Zuhause“ erleben. Gott ist da.

Martin Luther hat sich in Zeiten größter innerer Not immer wieder selber zugerufen: „Ich bin getauft“. Für ihn war das Trost und so etwas wie ein Rettungsanker: Ich bin nicht allein. Gott bleibt bei mir, egal, was passiert.

Auch in der Not, in der wir uns jetzt befinden, wenn wir uns mitunter einsam und allein fühlen, wenn wir vielleicht Angst um unser Leben, oder um das Leben von Menschen, die uns nahestehen, haben, wenn wir das Gefühl haben, nichts tun zu können, um die Situation zu verbessern, auch dann gilt: Gott ist da. Was wir immer noch tun können, ist: für andere und uns selber zu beten. Die Hände falten, Ruhe zu suchen und Gott um offene Augen zu bitten, die sehen, was jetzt noch möglich ist. Ein Leben ohne Leid gibt es nicht. Die meisten von uns stehen manchmal mitten im Leben, sind voller Energie und Tatendrang, und dann fühlen wir uns so als wären wir selber draußen, ohne Anschluss zu anderen, ohne Hoffnung. Deshalb brauchen wir zwei Sachen:
Auf der einen Seite das Bewusstsein: Ich bin getauft und stehe unter Gottes Segen. Er begleitet mein Leben, behütet mich und führt mich auf meinem Weg. Dafür kann ich dankbar sein, dass darf und soll ich genießen und mich darüber freuen.
Auf der anderen Seite ein weites Herz: Andere sind draußen und sehnen sich nach Menschen, die ihnen mutig und frei sagen: Gott liebt dich. Jede und jeder kann etwas tun. Ganz praktisch anderen helfen, wieder öfter miteinander telefonieren, einkaufen – oder wirklich füreinander beten.

Der Text endet mit den Worten: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Das schließt beides ein – sich in Gottes Liebe geborgen wissen und hier und jetzt das Nötige tun, und dabei wissen, dass noch etwas anderes kommt und wir auf dem Weg dorthin sind solange wir leben. Es ist auch der Hinweis, dass nichts bleibt wie es ist, und das klingt aktuell sehr viel tröstlicher als sonst. Unser Leben ist Geschenk und Auftrag. Unser Glaube ist Geschenk und Auftrag. Beides tut uns in diesen Tagen gut zu hören.

Gott war da, ist da und bleibt da. Er liebt dich und mich. In ihm sind wir geboren. Amen

Herzliche Grüße
Ihre Pfarrerin

Tanja Vincent

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